Mainpost: Estenfelder Ehepaar rockt mit Stargeiger David Garrett 


Würzburg/Buchen. 

Klassische Musik oder Rock? Für Philipp Hagemann ist das kein Konflikt. Der Cellist fühlt sich nicht nur bei Vivaldi oder Beethoven wohl, sondern auch bei Deep Purple. Der Cellolehrer an der Musikschule Buchen war als Solocellist der Neuen Philharmonie Frankfurt im Dezember mit der Rockband unterwegs und wird in Kürze David Garrett und anschließend Peter Gabriel auf deren Touren begleiten. 
„Ich habe den schönsten Beruf der Welt“, lacht Philipp Hagemann. Der Würzburger legt das Cello zur Seite. „Highway to hell“ steht gerade auf dem Übungsplan für die Crossover-Tour mit dem Stargeiger David Garrett. Dann müssen seine Schüler für kurze Zeit auf ihn verzichten. Ab 10. April startet die „Rock Anthem Tour“. David Garrett, der „gnadenlos technisch perfekte Geiger“, den er bereits von früheren Konzertreisen kennt, sei ein ganz lockerer und umgänglicher Typ. Gerade für seine Schüler, die er schon zu den Konzerten mitgenommen hat, seien solche Crossover-Projekte sinnvoll: „Sie merken, dass die Geige oder ein anderes Streichinstrument cool sein kann.“ 
Moderne Songs wie „Fluch der Karibik“ wird Garrett mit seiner Geige und einem kompletten Orchester im Rücken interpretieren. Darauf freut sich Hagemann schon sehr, auch wenn er nur einen Teil der Konzerte mitspielt. Denn der Familienvater kümmert sich dann wieder um die einjährige Tochter und den dreijährigen Sohn, während seine Frau, die Geigerin Veronika Hagemann, ins Orchester einsteigt und die Tour zu Ende spielt. Danach folgen noch Auftritte mit dem symphonischen Orchester, ehe es bereits im Mai mit Peter Gabriel weitergeht. „Das Programm ist rhythmisch sehr kompliziert, aber macht unheimlich Spaß.“ 
Hagemann liebt solche Projekte. „Wenn man mit solchen Stars zusammen 15.000 Zuschauer oder mehr begeistern kann, ist das einfach klasse und ein tolles Gefühl“, schwärmt der Würzburger. „In meinem Herzen bin ich ein Rockmusiker.“ Warum also nicht alle Musikrichtungen – Klassik, Pop und Rock - miteinander verbinden? Seit 2002 ist Hagemann Mitglied der Neuen Philharmonie Frankfurt. Studierte Musiker, die sich nicht nur der Klassik verschrieben haben, finden hier eine musikalische Heimat. Und sie haben eine Vision: Moderne Musik ist für sie genauso lebendig wie eine Partitur von Ludwig von Beethoven oder Maurice Ravel. 
Das Cello virtuos zu beherrschen, stand für Hagemann schon als Kind fest. „Als ich mit fünf Jahren bei einem Konzert das Instrument gehört habe, wollte ich „das da“ auch lernen“, erinnert sich der geborene Hamburger. Mit sieben kam zwar erst das Klavier, aber bereits mit neun Jahren setzte er sich ans Cello. „Beide Instrumente fielen mir leicht.“ Erst im Studium an der Hochschule für Musik in Würzburg, das er 2001 mit dem Diplom abschloss, hatte er das Streichinstrument bevorzugt. „Dafür kann ich alle meine Schüler am Klavier selbst begleiten“, erzählt er zufrieden. 
Das mehrstündige Üben ist für den 36-Jährigen Alltag. „Sonst fehlt einfach die Fitness und die Feinmotorik.“ Das vermittelt er auch den über 50 Schülern, die er in Schlüchtern, Würzburg und seit 2007 in der Musikschule in Buchen unterrichtet. Der Cellolehrer weiß, wie er die jungen Instrumentalisten „anfüttern“ kann. Wieso nicht mal „Ai se eu te pego“ üben, das jeder aus dem Radio kennt? Gerade die gezielte Förderung der Schüler und die hohe Qualität der Lehrkräfte in Buchen begeistern ihn, sich in dieser „Talentschmiede“, wie er es nennt, zu engagieren. Ob Orchester oder Musical-Projekt: Mit Crossover und populären Sachen könne man den Nachwuchs meist besser motivieren. Ein gutes Beispiel seien im vergangenen November auch die beiden Konzerte „Rock + Klassik“ zur Eröffnung der neuen Buchener Stadthalle gewesen. „Das hat großen Spaß gemacht. Ein cooles Projekt, das wiederholt werden sollte“, findet er. Doch nur unterrichten, wäre nichts für ihn. „Das Orchester ist mir wichtig, sowohl im klassischen Bereich als auch bei Crossover“, brauche er auch die Auftritte auf der Bühne. Mit vielen Stars hat er so schon zusammen gearbeitet, etwa mit Nena, Bobby Mc Ferrin oder auch den Münchner Symphonikern. Ein ganz besonderer Höhepunkt war für Hagemann im vergangenen Jahr die Tour mit Deep Purple durch Mittel- und Nordeuropa. Das Plakat schmückt noch immer die Wohnungstür. „Ich war schon immer ein großer Fan von Deep Purple. Und dann mit ihnen auf Tournee zu gehen, war einfach die Erfüllung eines Kindheitstraums“, schwärmt der Cellist. 
Viele seiner Träume sind schon in Erfüllung gegangen. Aber den ein oder anderen hat er trotzdem noch: Etwa in der New Yorker Carnegie Hall auf der Bühne zu stehen oder solistisch mit einem großen Orchester aufzutreten. Und cool wäre für ihn eine Tournee mit Jamiroquai. 
Jetzt konzentriert sich Philipp Hagemann aber erst einmal auf die Konzerte mit David Garrett und Peter Gabriel. Und dafür heißt es „üben“.

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Bauzen

Unter dem Motto „Mythos - Götter - Sagen" erklangen Werke von Wolf, Debussy, Beethoven und anderen Künstlern. Der Saal war voll besetzt.

Mittwachnachmittag im Festsaal des Landratsamtes. Ältere Bürger begrüßen sich, freuen sich auf Musik am Nachmittag mit dem Untertitel .Mythos - Götter - Sagen". Zumeist Stammgäste der Konzertreihe der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation München, sitzen sie bald an freundlichen Kaffeetafeln und blättern im fundusreichen Programmheft. Kein Platz bleibt leer. Die 14. Veranstaltung wird von sieben jungen Künstlern und Stiftungsleitungsmitglied Hartmut Zimmermann mit Beethovens Lied „Freude, schöner Götterfunken" aus dem 4. Satz der 9. Sinfonie eröffnet.
Dann folgt ein filigraner Sonatensalz von Johann Ludwig Dussek, in dem die Harfe über Streichern brilliert. Lieder von Hugo Wolf folgen, sind Lyrik. Tragik oder hauchzarte Gestaltungsfreude über flüsterndem Klavierteppich. Selbigen zaubert Rene Speer, der seit 1998 alle hiesigen Konzerte, insgesamt über 500 Stiftungsveranstaltungen mitgestaltete. Später malt er Klangfarben aus Debussys „Preludes". Taucht ein in Meeresgrundruhe. Lässt den Flügel träumen von silbernen Orgelklängen. Sopranistin Eva Maria Schramm erhält viel Applaus für ihre erhabene Barockarie aus Zelenkas Melodram „Der heilige Wenzel". Maciej Labecki, seit 2005 Professor für Violine an der Musikhochschule Lodz, bereichert den sehr fordernden ersten Teil mit einem rasanten Paganini-Capriccio, zelebriert ein Furiosum technischer Finessen. Sängerin und der Tenor Dieter Wagner führen mit einem beschwingten Duett aus Webers Oper „Oberon" zur Pause. Selbst die gemeinsamen Lieder huldigen dem Motto, sind Brücke zum bewegteren zweiten Teil, der in die erste Oper der Musikgeschichte führt; „Orfeo" von Claudio Monteverdi, 1607 uraufgeführt. Dieter Wagner und Ensemble beeindrucken in .Possente Spirito" mit Erhabenheit und souveränem Koloraturenreichtum alter Musik.
Blumen für die Künstler.
 Jaroslava Tajanovska beglückt im Oboentrio von Luigi Boccherini mit wundervollem Stimmungsreichtum. Das Adagio „Kol Nidrei", d-Moll von Max Bruch für Violoncello ist wunderweiche Emotion. Philipp Hagemann spielt fantastisch. Beethovens „Geistertrio" setzt Sturm und Wildheit dagegen. Da kann nur Offenbachs .Orpheus in der Unterwelt" gegentrumpfen. Das Ensemble wuchert mit begeisternder Spiel- und Musizierfreude, ist Qualität und Schmelz pur, übertrifft sich mit Chan Chan-Zugaben, den Beifallsovationen und Dankesblumen folgen. 
(Crista Vogel)

7. März 2008,  

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Konstanz

Lieder, Tänze, Kuchen

Wer zahlt das Gratis-Konzert für Senioren, das nun zum 15. Mal im Insel-Saal genossen und mit Beifall quittiert wurde? Die Münchner Kulturstiftung des Halbleiterhändlers Erich Fischer kommt für die Künstler- und Reisekosten auf. Die Stadt Konstanz spendiert Saal- und Flügelmiete, Kaffee und Kuchen lassen Sponsoren auffahren. Fast wäre die Tradition (immer nahezu voller Saal und gut 150 vergnügliche Minuten für fortgeschrittene Jahrgänge) unterbrochen worden.

Aber dank Uwe Schwedens Aktivität, privater Großzügigkeit und fördernder SÜDKURIER-Federn konnte es weitergehen - dafür gab es Applaus vor den ersten Klängen. Die stimmten festlich ein mit Barockem, dazu blies Hartmut Zimmermann von der Fischer-Stiftung die melodische Trompete zu Händelschen Arien-Noten.

Das Programm war ein buntes Tafelkonfekt, serviert mit 14 kleinen, vielfach virtuos drapierten Köstlichkeiten, die als abwechslungsreiches Töne-Ballett arrangiert waren: "Tanz - beschwingte Lebenskraft" verhieß das Motto. Sieben junge Solisten beförderten klassische und modernere Kurzweil in den Saal. Die Sopranistin Eva Maria Schramm brachte mit Opern-Stimme den "Monica-Walzer" von Menotti mit Puccini-Schmelz aus der Kehle. Die Mezzosopranistin Annelie Staude führte die "Carmen-Habanera" reizvoll mit Stimme und Gestik vor. Der Tenor Björn Adam verstand es, den Schumann-Gesängen vom "Armen Peter" und dem "Spielmann" eine romantische Prise Balladen-Dramatik zu geben.

In "Liebeslieder-Walzern" von Brahms und im Abschiedsterzett aus Mozarts "Idomeneo" erreichten die Stimmen wohllautende Duett- und Ensemblefülle. Folkoristisch bunt und rhythmisch mischten sich Oboen- und Geigenklang in Bartóks Duo-Tänzen (Hanna Hirosawa und Maria Lomonosova), bravourös ließ der Cellist Philipp Hagemann eine Popper-"Tarantella" von den Saiten tanzen, kräftig mischten sich Streichertöne und Klavierspiel (René Speer, der auch zwei Tänze von Bach mit Eleganz aus dem Flügel zauberte) in Piazzollas Frühlings-Tango. Zwischendurch durfte das Publikum mitsingen, am Ende zu Kálmáns "Csardasfürstin" ein kleines Tänzchen drehen. Vor allem tanzten die Hände bis zur Zugabe mit.

Helmut Weidhase

 10.05.2007 13:49 Suedkurier.de


SÜDTHÜRINGISCHES KAMMERORCHESTER - Zweite Klassiknacht auf Schloss Wilhelmsburg - Reise durch Raum und Zeit

VON MARGIT DRESSEL
Violine, Bratsche und Cello in der Schlosskapelle, Klavier im Tafelgemach, Kammerorchester auf der Pfalzterrasse: Mit der 2. Klassiknacht auf Schloss Wilhelmsburg am Samstagabend schloss das Südthüringische Kammerorchester (SKO) erneut historische Räume mit Klängen auf.

SCHMALKALDEN – Das Konzert war ausverkauft. Trotz des kleinen WM-Finales, das Deutschland gegen Portugal gewinnen konnte. Orchestergründer Wolfgang Fuchs freute sich sehr über die Resonanz auf sein musikalisches Angebot. Zumal der Kartenvorverkauf recht schleppend vorangegangen war.

„Es ist schön, wenn Musik und Räume verbunden werden“, waren die Konzertbesucher von dem Programmkonzept der privaten Orchesterstiftung begeistert. Zum Auftakt stimmten Wolfgang Fuchs (Violine) und Gabriel Krappmann (Bratsche) in der Schlosskapelle mit Duetten von Johann Sebastian Bach und Carl Stamitz ein. Philipp Hagemann (Violoncello) aus Würzburg ist dem Stammpublikum des SKO gut bekannt. Als exzellenter Cellospieler setzte er bereits bei einigen SKO-Konzerten Glanzpunkte. Für die Klassiknacht wählte er die 3. Cellosuite von Bach aus. Präzise und voller Gefühl war sein Spiel, mit dem er die Zuhörer in den Zauber klassischer Musik hineinzog.

Erfreulicherweise wagte es die Orchesterstiftung, eine moderne Komposition ins Programm aufzunehmen. Der junge Geiger Stephan Knies aus Würzburg stellte sich zunächst mit der Solosonate C-Dur von Bach als konzentriert-sensibler Solist vor. Dann versank er geradezu in die Solosonate 27/3, einer Ballade, die der Belgier Eugene Ysaye dem Geiger George Enescu widmete. Harmonische Bögen ließ er abrupt abbrechen, Blitze aufzucken, den Sturm peitschen und Vögel singen.

Jede Facette des Instruments reizte diese Komposition aus. Knies, eins mit seiner Geige, schuf diese enorme Dramatik mit leichter Hand. Weckte mit seinem Können Aufmerksamkeit für Musik, die nicht so bekannt und für manche auch „gewöhnungsbedürftig“ ist.

Gesprächsstoff gab es also genug während der Pause auf dem Schlosshof, wo Getränke und ein kleiner Imbiss aus einheimischer Produktion gereicht wurden. Im Tafelgemach brachte Prof. Ulrich Urban zwei ganz unterschiedliche Klaviersonaten nahe. Der bekannte Pianist und Hochschullehrer aus Leipzig half dem Publikum, die Werke einzuordnen und besser zu verstehen. Klassische Musik soll sinnlicher Genuss und geistige Herausforderung zugleich sein, so das Konzept der Stiftung SKO. Mit Mozarts Sonate in C-Dur bewies Prof. Urban, dass C-Dur keinesfalls nur eine „Einstiegstonart“ für Anfänger ist, ließ das leichte Allegro moderato perlen und legte unter das Andante cantibile jene Trauer, die Mozart in das ansonsten heitere Werk hineingeschrieben hat.

In c-Moll versetzte der Interpret mit der Großen Sonate, die Franz Schubert in seinem Todesjahr schrieb. Mit wenigen Worten vermochte Prof. Urban zu illustrieren, wie Schubert diese Musik als Hommage an Ludwig van Beethoven schrieb. Dabei aber Musik, die erst Jahrzehnte später komponiert werden sollte, voraus ahnte.

Der Pianist ließ mit seiner Interpretation ahnen, dass Schubert mit diesem Werk dem Zenit seines Schaffens zustrebte, als ein früher Unfalltod ihn dahinraffte. Die dramatische Fülle nur des einen Satzes, den Prof. Urban gab, schloss von der Dramaturgie des Konzerts an Ysaye‘s Sonate an. Auf der Pfalzterrasse präsentierten sich Musiker der Stiftung SKO als Kammerorchester. Weinzirler – Trio Nr. 21 von Joseph Haydn und 12 deutsche Tänze führten am Schluss fast unmerklich zur schwarz-rot-goldenen Sieger- und Feierlaune dieser Sommerwochen.

Für das Programm haben wiederum alle Mitwirkenden Herzblut vergossen. Denn so leicht, wie die klassischen Klänge durch die Räume schwebten, ist es nicht, ein privat finanziertes Orchester auf die Beine zu stellen. Aber diese Mühen waren für Wolfgang Fuchs und die Stiftungsgründer an diesem Sommerabend des Erfolgs kein Thema.

Weltmeisterlich: Das Kammerorchester der Stiftung auf der Pfalzterrasse von Schloss Wilhelmsburg begeisterte das Publikum genauso wie die Solisten, die in der Schlosskirche und Hofstube auftraten. FOTO: MARGIT DRESSEL

Freies-Wort Online



Herzenssache

DEBÜT: 13 Musiker mit vier Solisten des neu gegründeten Südthüringer Kammerorchesters begeisterten ihre Zuhörer in Sankt Jakobus.TA-Foto: K.-H. VEIT

Stiftung Südthüringisches Kammerorchester begeisterte in der Ilmenauer Jakobuskirche mit dem Debütkonzert

Die Stiftung Südthüringisches Kammerorchester stellte sich als junger Klangkörper dem Ilmenauer Konzertpublikum in der Jakobuskirche mit einem barocken Programm vor.

ILMENAU (it).

Ein neuer, leuchtender Stern ist am Thüringer Kulturland­schaftshimmel aufgegangen — die Stiftung Südthüringisches Kammerorchester. Dies gleicht fast einem Wunder in Zeiten des großen öffentlichen „Kassen-Jammers" und der Abwicklungen von kulturellen Institutionen, gerade im Musik- und Theaterbereich.

Dem Ilmenauer Konzertpublikum stellten sich vergangenen Freitagabend die 13 Musiker des seit Anfang diesen Jahres agierenden respektablen Klangkörpers unter der Leitung ihres Dirigenten Otto-Georg Moosdorf in der Jakobuskirche vor.

Knapp 70 Zuhörer begrüßte Pastorin Astrid Reidemeister. Die Neugier und gespannte Erwartungshaltung auf beiden Seiten sollte sich bereits nach dem herzlichen Begrüßungsbeifall und den Klängen des Concerto grosso op. 6 Nr.7, D-Dur, von Arcangelo Corelli lösen und sofort in Sympathie umschlagen. Ein chorisches Musizieren voller Leichtigkeit und schwung­voller Dynamik brachte einen Sound hervor, der sich angenehm ins Ohr schmeichelte.

Otto-Georg Moosdorf arbeitet mit hoch motivierten, bestens ausgebildeten und engagierten, fast durchweg jungen Musikern, die es wirklich wissen wollen und denen das Musizieren Herzenssache zu sein scheint. Aus dem Orchester heraus traten bei den jeweiligen Programmpunkten die Solisten und zeigten mit viel Engagement und Können ihre Musizierkunst. Philipp Hagemann, Cello, hatte neben den Sologeigen einen besonders schönen und schwierigen Part beim Vivaldi - Concerto zu absolvieren.

Das vom Orchesterleiter zusammen gestellte Programm von Barockmusik gestattete einen interessanten Einblick in die Musizierpraxis jener Zeitepoche, als von Italien ausgehend die Concerti grossi boomten. Seine sparsam und als angenehm empfundenen kurzen Erläuterungen zu den Stücken wie zu musikgeschichtlichen Hintergründen und Zusammenhängen konnten das Hörerlebnis beim Publikum nur verstärken.

Italienische und deutsche Musizierweise im Vergleich zwischen Corelli und Vivaldi auf der italienischen Seite und Händel, Telemann und Bach auf der deutschen Seite dargeboten zu bekommen, entbehrte nicht eines besonderen Reizes.

Wie im Fluge vergingen knapp anderthalb Musizierstunden beim Ilmenauer Debütkonzert. Dass die hoch zufriedenen Konzertbesucher auch beim nächsten Konzert der Musiker aus Thüringen, Sachsen und Bayern mit dabei sein werden und jeder noch jemanden mitbringt, dürfte als sicher gelten.


Süddeutsche Zeitung am 29.01.2002

Gebändigtes Chaos

Kammerkonzert in Gräfelfing mit Uraufführung

Gräfelfing - Es ist ein häufig zu hörender Vorwurf: Moderne Musik könne man nicht genießen, ihr klanglicher Duktus, ihre Struktur sei reine Willkür. Umso schwieriger ist es da, ein Publikum zum Zuhören zu bewegen. Gut, wenn sich ein junges Ensemble an moderne Klassiker wagt. So wie am vergangenen Sonntag im Gräfelfinger Bürgerhaus. Die deutsche Erstaufführung des "Marche oubliée" unternahm ein junges Klaviertrio: 

Der Violinist Stephan Knies, der Cellist Philipp Hagemann und Ulrich Maier am Piano. Der "vergessene Marsch", ein Werk des in Dublin lebenden Komponisten Raymond Deane, ist nach der Lehre Schönbergs gearbeitet. Aus einem streng rhythmisierten, aus zwei Intervallen bestehenden Motiv entwickelt sich ein Marsch, der keiner ist. Das anfängliche Grave dekonstruiert die Anklänge an Strauß, ans Militärische. Aus den dunklen Tonschwaden des Beginns steigen bizarre Klänge hervor: Dazu kann man nicht Und doch wirkt diese Musik aufgeräumt. 

Ein Verdienst des Komponisten, aber noch mehr der drei Musiker, die jedem Detail des Textes nachspüren. Weniger nach Detailarbeit klang Mendelssohn-Bartholdys Klaviertrio in d-moll. Virtuos zwar das Piano, doch müssen sich die drei Musiker die eine oder andere Ungenauigkeit vorwerfen lassen, vor allem im Schlusssatz blieb es beim Ungefähren. Für das "Quartett für das Ende der Zeit" von Olivier Messiaen holte sich das Trio die Klarinettistin Ulrike Geiger auf die Bühne. Messiaen schrieb dieses auf der Johannesoffenbarung basierende Werk während des zweiten Weltkrieges in einem Kriegsgefangenenlager; dort wurde es auch uraufgeführt. Und es ist anrührend, wie viel Zuversicht, wie viel Wärme und Hoffnung in diesem Werk stecken. 

Der erste Satz, die "Liturgie aus Kristall" erhebt mit Vogelgesang und klingendem Licht die Stimme gegen die Niederungen menschlichen Seins. Es ist ein Werk über die Zeit, und die Zeit scheint darin aufgehoben, die Entropie umgekehrt, das Chaos gebändigt. Äußert konzentriert, bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit musizierten die vier jungen Künstler, darauf bedacht, dass kein Ton verloren gehe. Der dritte Satz, der "Abgrund der Vögel", verlangt das Äußerste vom Klarinettisten, musikalisch, körperlich und seelisch. Ulrike Geiger versenkte sich ganz in der Transzendenz dieses Abgrunds. Beklemmend schön auch der fünfte Satz, das "Lob auf die Ewigkeit Jesu": Mit einer fast physischen Intensität gelang Hagemann der große Bogen der Cello-Kantilene, die ihr Gegenstück im letzten Satz hat, im "Lob auf die Unsterblichkeit Jesu". Nach dem Solo von Knies blieb das Publikum ehrfürchtig-verstört zurück, wagte es nicht, die Meditation mit Applaus zu zerstören. Und in die Zeit zurückzukehren. 

JOCHEN EICHNER